31.10.2023, 14:32
Bock auf Handball
Es sind interessante Wochen für Sander Sagosen: Im Sommer kehrte er nach Kolstad zurück, startete mit seinem Heimatverein erstmals in der Handball Champions League und trifft dort nun an mehreren Spieltagen in Folge auf frühere Vereine.
Gegen den THW Kiel feierten die Norweger in heimischer Halle einen 34:30-Erfolg. Sander Sagosen erzielte acht Treffer, im Spiel gegen Aalborg waren es sogar zwei mehr (zehn) - doch mit Niklas Landin hielt ein früherer Kieler Mitspieler am Ende die Dänen beim 27:25 (17:12)-Sieg auf Kurs. Im Liga-Spitzenspiel gegen Drammen folgte ein deutlicher 38:25-Erfolg von Kolstad um Sagosen. Und nun stehen - nach der Länderspielwoche - die beiden Duelle gegen Paris Saint-Germain an: Erst am 15. November in Trondheim und eine Woche später in Paris.
In seiner Kindheit schuftete der junge Sander Sagosen im Keller seines Elternhauses für seinen Traum: "Wer der Beste sein will, muss doppelt so hart trainieren wie alle anderen!!", hat sein Vater in norwegisch mit rotem Edding auf ein Blech geschrieben. Der Schriftzug war bei einem Besuch von Bock auf Handball noch lesbar.
"Seit ich ein kleiner Junge war, hatte ich keinen Plan B. Ich wollte immer Handballprofi werden und der beste Spieler der Welt. Davon war ich überzeugt", berichtete der Rückraumspieler, der in dieser Woche mit Norwegen beim Gjensidige Cup zur Vorbereitung auf die EM auf Dänemark, Spanien und die Niederlande trifft.
Und Sagosen wurde einer der Besten, verließ die Heimat: Erst nach Haslum und dann 2014 zu seiner ersten Auslandsstation nach Aalborg. "Ich liebe diesen Verein. Ich kenne immer noch so viele Leute dort", erklärte Sander Sagosen vor dem Spiel mit Kolstad in Aalborg gegenüber der EHF mit Vorfreude. "Ich habe eine besondere Beziehung zu Aalborg und der Arena, deshalb liebe ich es, dort zu spielen", fügte er auch mit Blick auf die EM 2014 an, als er als 19-jähriger den internationalen Durchbruch schaffte - trotz des frühen Aus der Norweger.
Nach drei Jahren in Aalborg ging es für Sander Sagosen für drei Jahre zu Paris Saint-Germain, gewann nach der dänischen auch die französische Meisterschaft gewann - sogar drei Mal in Folge. 2020 ging es dann zum THW Kiel, wo sich im Winter beim aufgrund der Corona-Unterbrechung verschobenen Final4 der Traum vom Gewinn der Champions League erfüllte und die deutsche Meisterschaft hinzu kam. Doch die norwegische Meisterschaft fehlt dem Superstar noch, nach neun Jahren kehrte er mit 28 Jahren nach Kolstad zurück und will neben dem nationalen auch internationale Titel gewinnen.
"Wir brauchen etwas Zeit. Vielleicht sind wir in vier, fünf oder sieben Jahren Teil des EHF FINAL4", so Sander Sagosen gegenüber der EHF mit Blick auf die Ambitionen, der derzeit mit Ausnahme von Sigvaldi Gudjonsson nur aus norwegischen Akteuren bestehenden Mannschaft. In die Champions League startete das Team mit einem 31:22 bei Pelister Bitola, bevor es nach einem knappen 30:32 gegen Kielce mit einem 20:31 in Zagreb einen schmerzhaften Rückschlag gab. Doch es folgten Heimsiege gegen Szeged und den THW Kiel.
Gegen Kiel waren 7.120 Zuschauer im Spektrum in Trondheim. "Es war eine tolle Atmosphäre in unserer Arena und es war es ein tolles Gefühl, Kiel zu schlagen", so Sander Sagosen auf der EHF-Homepage im Rückblick auf diese Partie. Gegen Paris dürften es ähnlich viele Fans werden, auch wirtschaftlich ein wichtiger Aspekt für den Verein, der vor dem Saisonstart mit Gehaltskürzungen in den Schlagzeilen stand. "Wir fühlen uns zu Hause wohl, trotz allem, was seit unserer Rückkehr rund um den Verein passiert ist", so Sagosen.
Bereits bei der Bekanntgabe seines Wechsels hatte er betont, dass es der vorrangige Grund die Rückkehr in die Heimat sei - nach neun Jahren in der Fremde.
"Ich möchte klarstellen, dass ich mich nicht gegen den THW Kiel, sondern für meine Familie und meine Heimat entschieden habe. Denn ich kann von ganzem Herzen sagen, dass ich alles hier in Kiel liebe", erklärte der Norweger in einem Interview. "Ich bin mit 18 Jahren von zu Hause weggegangen, um woanders Handball zu spielen. Ich habe aber immer davon geträumt, irgendwann einmal zu Hause die Möglichkeit zu haben, erfolgreich Handball zu spielen. Durch das Projekt in Kolstad kann dieser Traum plötzlich Wirklichkeit werden."
"Durch meinen Wechsel kann ich dann aber endlich wieder meinen Beruf als Profisportler mit der Familie kombinieren, sie regelmäßig sehen, mit ihr leben. Ich muss das einfach probieren", fügte er damals mit Blick beispielsweise auf seine in Trondheim lebende Familie an, sein Vater ist Torwarttrainer bei Kolstad. Und im Sommer ist diese Familie gewachsen, Sander Sagosen und Hanna Bredal Oftedal freuten sich im Juli über die Geburt von Noah. Seine Frau Hanna, selbst Handball-Nationalspielerin für Norwegen, ist übrigens die Schwester von Stine Oftedal, der Lebensgefährtin von Rune Dahmke.
Doch es gab Startprobleme. "Wir haben eine schlechte Phase hinter uns", blickt Kolstads Superstar Sander Sagosen vor gut vier Wochen im Gespräch mit handball-world auf einen turbulenten Saisonstart zurück, die finanziellen Schwierigkeiten und die Unruhe rund um Gehaltskürzungen schienen sich auch auf die Leistung auszuwirken. Neben dem 20:31 in Zagreb gab es auch in der heimischen Liga bereits ein Remis und eine Niederlage. "In Norwegen jubeln alle, wenn Kolstad verliert", schmunzelte Sander Sagosen.
"Es ist ähnlich wie in Deutschland mit dem THW Kiel oder in Frankreich mit Paris Saint-Germain. Wenn es bei den Klubs mit viel Geld nicht rund läuft, dann freuen sich die anderen", so Sander Sagosen vor gut einem Monat. "In solch schwierigen Phasen muss man einfach noch ein bisschen mehr arbeiten und investieren, um wieder auf einen guten Weg zu kommen. Und das sind wir jetzt wieder", berichtete der Rückraumspieler, noch bevor mit einem Erfolg bei Elverum sowie den Heimsiegen gegen Szeged und Kiel nationale und internationale Ausrufezeichen gesetzt wurden. Die Niederlage in Aalborg nahm wieder etwas Schwung - auch wenn die Norweger nach einem 12:17 zur Pause im zweiten Abschnitt wieder aufkamen. In der Liga folgte darauf ein sehr deutlicher 38:25-Sieg gegen Drammen.
"Die Gruppenphase ist lang und es sieht so aus, als ob jedes Team jedes Team in unserer Gruppe schlagen kann. Es ist viel zu früh, um vorherzusagen, welche Teams sich für die Playoffs qualifizieren und welche Mannschaften es direkt ins Viertelfinale schaffen. Um aus der Gruppenphase weiterzukommen, müssen wir konstant auf Top-Niveau spielen", so Sander Sagosen gegenüber der EHF-Homepage. Aktuell steht Kolstad in der Handball Champions League bei 6:6 Punkten, nach den beiden Partien gegen Paris wird sich der Kurs für die Premierensaison in der Königsklasse deutlicher abzeichnen.