18.04.2024, 15:01
Deutsche Torwarttrainerin im Interview - Teil 2
Die deutsche Handball-Nationalmannschaft hat nicht zuletzt dank ihrer starken Torhüterinnen die Olympia-Qualifikation geschafft. Im zweiten Teil des großen Interview mit handball-world redet Torwarttrainerin Jasmina Rebmann-Jankovic über die neuen Anforderungen für die Keeperinnen, ihr Leben als berufstätige Mutter und Olympia.
Eine Spielerin auf diesem Niveau muss - natürlich, das ist klar - Eigenmotivation und Talent mitbringen. Du hast genauer gesagt von Fleiß und Talent gesprochen. Was muss denn noch dazukommen, um es bis ganz nach oben zu schaffen?
Jasmina Rebmann-Jankovic: (Überlegt kurz) Sie muss hart arbeiten, Ehrgeiz und Spaß müssen da aber miteinander einhergehen. Aber vor allem dieses Gefühl: Ich weiß, was ich Jahr für Jahr an mir entwickeln möchte. Sich klare Ziele setzen, damit man nicht stehenbleibt, sondern man weiß: Letzte Saison ist vielleicht etwas Bestimmtes nicht so gut gelaufen, das möchte ich diese Saison verbessern. Dieses stets von sich aus Wissen: Was möchte ich eigentlich besser machen?
Sprich, es ist eine enorme Fähigkeit zur Selbstreflexion erforderlich…
Genau! Das ist nicht immer so einfach, aber wenn man sich selbst immer wieder vor Aufgaben stellt, kommt man wohl am weitesten.
Themawechsel: Matthias Andersson ist beim DHB der Chef der Bundestorhütertrainer. Gibt es auch Zielstellungen von ihm an die Torhütertrainer wie dich?
Wie wir Torwarttrainer arbeiten, das wird mit ihm zusammen immer wieder reflektiert und soll verbessert werden. Er ist selbst sehr fleißig unterwegs, um zu schauen, wo man noch die Extraprozente herausholen kann. Kürzlich war er bei den Fußballern unterwegs. Alles Relevante, was er erfährt, gibt es an uns weiter.
Sprich, es gibt auch einen guten Austausch mit ihm und den Nachwuchs-Torhütertrainern?
Ja, wir müssen immer in Verbindung bleiben.
Der Handball entwickelt sich ja weiter. Wie haben sich denn die Anforderungen an die Torhüterinnen, zum Beispiel durch den siebten Feldspieler, in letzter Zeit verändert?
Verändert hat sich vor allem, dass es viel mehr Durchbruchsituationen im Spiel gibt. Ein Großteil der Würfe kommt eigentlich aus dem Nahbereich oder frei. Früher hatte man meistens eine klassische 6:0-Abwehr und jemand vom Gegner hat von neun Metern oder etwas mehr über den Block geworfen. Ich denke, dass die Torhüter sich da auf jeden Fall sehr anpassen müssen, Spielzüge aus Nahwurfdistanz versuchen müssen zu lesen und zu begreifen. Was kann ein Spieler überhaupt?
Der siebte Feldspieler ist eher ein kleiner athletischer Aspekt, der dazukommt. Da sehe ich die Veränderung vor allem darin, dass man sich nach dem Sprint ins Tor sehr schnell wieder fokussieren soll.
Bei einem Wurf aus der Nahwurfzone muss man sich viel schneller entscheiden, wann und wie man sich bewegt um den Ball zu halten…
Genau. Man hat extrem wenig Zeit, das Spiel zu lesen und dann auch noch zu entscheiden, welche Reaktion am besten ist. Da ist ein stückweit Erfahrung wichtig, die man irgendwann sammelt. Man muss ein überaus schnelles Reaktionsvermögen haben. Dieser "Klick" zwischen Gehirn und Körper muss klappen.
Das trainiert ihr bestimmt auch: Diese Schnelligkeit.
Ja, schon ganz grundlegend beim Einwerfen der Torhüterinnen. Dieser Klassiker, alle stellen sich in einer Reihe auf und werfen abwechselnd links und rechts, das gehört der Vergangenheit an. Da müssen die Torhüter eigentlich gar nicht nachdenken.
Wir koppeln das: Es gibt zwei oder drei verschiedene Optionen, wo die Werferin den Ball platzieren kann und die Torhüterin muss reagieren, je nachdem, was die Werferin anzeigt - ob sie den Durchbruch nimmt oder ob sie einen Schlagwurf macht. Wir geben den Werferinnen klar vor, wohin sie werfen sollen, wenn sie eine bestimmte Bewegung machen. So versucht man sehr spielnah, die Torhüterinnen zu bearbeiten.
Wie kam es denn überhaupt dazu, dass du Torwarttrainerin geworden bist?
Ehrlich gesagt bin ich da bei Frisch Auf Göppingen ein bisschen reingerutscht. Ich habe dort als Spielerin immer mal wieder ein Training übernommen und es hat mir Spaß gemacht. Ich war selber noch in der Verletzung und dann schwanger, daher hatte ich dieses Ziel nicht, aber sie haben mich dann gefragt und ich habe Ja gesagt.
Dann ging es recht schnell, dass Markus Gaugisch auf mich zukam, für Bietigheim tätig zu werden. Etwas später kam die niederländische Nationalmannschaft hinzu. Ich habe gemerkt, dass mir das extrem viel Spaß bereitet.
Du hast auch schon mit deinem Ehemann Daniel (Rebmann, Anm. d. Red.) zusammen an einem Nachwuchscamp beteiligt…
Wir hatten ein Camp in Kroatien und es hat dort auch viel Spaß gemacht, die Jugendlichen zu begleiten und ihren neuen Input zu geben oder neue Energie.
Und dann ist da noch eure Tochter, die Aufmerksamkeit haben möchte. Wie meistert ihr das?
Es ist tatsächlich manchmal ein Jonglieren à la Cirque de Soleil. Die Kleine hat Vorrang. Das heißt, wenn ich mal länger weg bin, kommt meine Mama nach Gummersbach, damit Kiara ihren normalen Ablauf hat.
Ich habe auch sehr viel Unterstützung beim DHB, die sind da super. Daniel ist in den letzten zwei Wochen zweimal für zwei Tage dazugekommen, wo ich die Kleine und ihn in der Freizeit sehen kann. Also: Meine Mama ist die größte Rettung für die langen Abwesenheiten und wenn ich mal zwei, drei Tage am Stück in Bietigheim bin, ist Kiara bei Opa und Oma Rebmann, die hier aushelfen.
Auch wenn ihr den Erfolg vom letzten Wochenende erst noch begreifen müsst, wie du erzählt hast: Der Blick geht jetzt unweigerlich zu den Olympischen Spielen. Du hat mit den Niederlanden an Olympischen Spielen teilgenommen. Haben die Spielerinnen dich mal darauf angesprochen?
(Überlegt kurz) Es war eher im Trainerteam immer mal wieder ein Thema. Ein paar Spielerinnen haben aber auch mal nachgefragt, vor allem, wie diese Quali-Turnier damals bei mir lief. Aber die Olympischen Spiele haben wir so sehr im Hintergrund gehabt. Jeder wollte vermeiden, den Blick so weit nach vorne zu richten und erst mal diese Spiele in Neu-Ulm zu gewinnen.
Und jetzt rückt dann natürlich auch in den Vordergrund, sich vor den Olympischen Spielen bloß nicht zu verletzen. Wie minimiert ihr dieses Risiko?
Ich sage: absolut den Plan von unserem Dr. Simon Overkamp (DHB-Bundestrainer Athletik, Anm. d. Red.) befolgen! Kraft und Stabi und alles Mögliche machen, um selbst dazu beizutragen, sich nicht zu verletzen. Wenn man seine Maßgaben komplett befolgt, ist man gut gerüstet. Er betreut die Mädels überaus individuell. Jede kriegt ihren eigenen Plan und wird auch von der Belastung her bei den Lehrgängen betreut. Ich denke, das wird das Wichtigste sein: nicht zu viel über eine mögliche Verletzung nachdenken und diese Pläne im Athletikbereich absolut komplett durchführen.
Felix Buß