14.04.2024, 12:45
Deutsche Handballerinnen erstmals seit 2008 bei Olympischen Spielen
Mitte April 2022 hatte Markus Gaugisch das Amt des Handball-Bundestrainers der Frauen übernommen. Nun, zwei Jahre später, ist das erste große Ziel erreicht: Die Qualifikation zu den Olympischen Spielen - erstmals seit 16 Jahren. Am Sonntag äußerten sich auch DHB-Präsident Michelmann und Sportvorstand Axel Kromer zu dem Erfolg.
Vor ziemlich genau zwei Jahren hat Markus Gaugisch das Amt des Handball-Bundestrainers der Frauen übernommen. Zunächst stand damals gegen Griechenland (40:11) der erfolgreiche Abschluss der Qualifikation zur EURO 2022 an. Das danach geplante letzte Spiel gegen die Ukraine wurde nicht ausgetragen, da im Februar des Jahres der russische Angriffskrieg begonnen hatte.
Somit war dieses Ziel erreicht und die deutschen Handballerinnen nahmen, wie sonst auch jedes Mal seit 1994, an der Europameisterschaft teil. In der Vorrunde konnten Alina Grijseels und Co. Polen schlagen, verloren aber gegen Montenegro (25:29) und Spanien (21:23). In der somit erreichten Hauptrunde wurden überraschend die Niederlande und auch Rumänien bezwungen - Platz sieben.
In der WM-Qualifikation 2023 war Griechenland erneut kein Prüfstein, entsprechend souverän mit 75:33 Toren ging es zum Turnier nach Skandinavien. Dort wurde die Gruppe F recht souverän gewonnen, gegen Japan (31:30) war es spannend. In der Hauptrunde gestalteten die Deutschen alle Spiele außer gegen Dänemark siegreich. Dann waren Schweden im Viertelfinale und die Niederlande um den fünften Platz (wobei Rang sechs für die "Road to Paris" genügte) eine Nummer zu groß.
"Wir haben bei der WM angefangen, Kante zu zeigen, dass wir nicht zufrieden waren mit dem Stempel, der immer wieder ausgepackt wurde", bilanzierte Bundestrainer Gaugisch nach dem siegreichen zweiten Spiel in der Olympia-Qualifikation gegen Montenegro, das an diesem Samstag bereits vor dem letzten Turniertag das Olympia-Ticket für die deutschen Handballerinnen brachte.
Mit "Stempel" stellte er darauf ab, was den deutschen Handballerinnen in den Vorjahren immer wieder attestiert worden sei: "Wenn ich mir Selbstvertrauen holen will, spiele ich gegen Deutschland - Das ist heute nicht mehr der Fall." Gaugisch sieht das als Prädikat für die Entwicklung, die die deutsche Handball-Nationalmannschaft der Frauen in den letzten Jahren genommen hat - mit ihm als Bundestrainer.
Der "Stempel" ließ Gaugisch und den Spielerinnen offenbar keine Ruhe, die Olympia-Teilnahme, die nach 16 Jahren Abstinenz endlich erreicht ist, stand über allem. "Im Schweden-Spiel hieß es dann, es ist wieder passiert", haderten Team und Verantwortliche nach dem verlorenen WM-Viertelfinale. "Es ist wieder passiert, aber wir haben das aufgearbeitet und an Lösungen gearbeitet", so Gaugisch.
"Wenn wir ein Tor brauchen, wissen wir jetzt, was wir tun müssen", benannte Gaugisch eine der Stellschrauben in der Entwicklung. "Da kannst du viele Teamsitzungen machen, aber den Schritt machen die Spielerinnen selbst. 'Was muss ich machen, was macht mich stark?' - Diesen Entwicklungsprozess sieht man in diesen beiden Spielen in Ulm", ist Gaugisch sichtlich glücklich.
Ein zweiter Aspekt war, die Spielerinnen individuell voranzubringen. Dabei sei es nicht grundlegend, ins Ausland zu wechseln. "Es geht darum, für jede Spielerin ein Setting zu finden, in dem sie sich kontinuierlich weiterentwickeln kann, indem mit einer homogenen Truppe gute Trainingseinheiten hat und sich kontinuierlich mit den besten Spielerinnen messen kann", verlangt Gaugisch.
"Sie spielt Mittwoch-Sonntag-Mittwoch immer gegen die besten Spielerinnen der Welt und trainiert im Verein mit Topspielerinnen, das bringt einen weiter", nahm Gaugisch Antje Döll als Beispiel. "Wenn du in jeder Trainingseinheit weißt, du musst an deiner Grenze gehen, sonst ist dein Stammplatz weg. Wir müssen jeder Spielerin ein solches Setting liefern", zeichnet Gaugisch diesen Entwicklungspfad.
Nun geht es für Gaugisch mit Blick auf den Sommer wieder einmal darum, eine Auswahl zu treffen. "Es sind nur 14 Spielerinnen, die in den harten Kern können", weiß Gaugisch um den kleinen Kader, den er bis zum 27. Mai für die Olympischen Spiele benennen kann. "Wir müssen Entscheidungen treffen, die bestimmt manchmal total bescheiden sind. Das gehört aber zum Sport."
"Du musst dich messen und bekommst dann eine positive oder negative Rückmeldung. Alles, was drum herum ist, zieht auch Energie. Du musst deinen Job hundertprozentig machen. Wir wollen möglichst weit kommen in Paris und Lille, deswegen fahren wir hin", strebt Gaugisch nach dem erreichten großen Ziel "Paris 2024" offensichtlich die nächsten Schritte aufwärts an.
Die deutschen Handballerinnen haben am Wochenende bei der Olympiaqualifikation in Neu-Ulm einen wichtigen Schritt Richtung Weltspitze gemacht, wo sie zuletzt als WM-Dritter 2007 verortet werden konnten. "Die Skandinavier und Frankreich, vier Mannschaften die sind uns voraus", macht Gaugisch klar. "Das akzeptieren wir Stand heute. Aber wir haben uns nach vorne gewuppt."
"Ich bin gerade sehr emotional", sagte Antje Döll nach dem Spiel gegen Montenegro am Samstag. "Die Olympischen Spiele waren immer so weit weg. Es ist verrückt, dieses Ziel jetzt zu erreichen. Wir wussten vor dem Spiel, dass es das jetzt ist und wir wollten darum kämpfen. Jetzt haben wir das geschafft und sind überaus glücklich", freut sich die 35-Jährige, die zum Stamm des Teams gehört.
"Das wird keine schöne Sommerreise", versicherte Gaugisch, der um die Bedeutung Olympischer Spiele für die Sportart weiß. "Wir fahren dahin, um etwas zu gewinnen. Das ist der Grundsatz, den wir haben. Wir sind nicht zufrieden damit dabei zu sein. Wir dürfen ein weiteres Turnier spielen und können uns als Team wahnsinnig weiterentwickeln, weil wir einfach mal Zeit haben. Olympia bringt uns ein Jahr voran."
In der Vorbereitung auf das Handball-Turnier mit den 12 besten Teams der Welt ist keine Bundesliga, keine Champions League in den Köpfen der Spielerinnen - die Saison ist zu Ende. "Ich weiß gar nicht, wann zuletzt Zeit war, mit einer Spielerin länger zu sprechen", so Gaugisch. "Jetzt können wir endlich mal in Ruhe arbeiten und Specials vorbereiten, weil wir nicht den Druck haben, am nächsten Tag wieder Leistung bringen zu müssen."
Bei den Olympischen Spielen 2020 hatte man die Qualifikationsturniere noch verpasst. Der Traum war damals nach dem 24:35 gegen Schweden im letzten WM-Gruppenspiel, was Platz acht bedeutete, geplatzt. "Das waren zwei souveräne und dominante Auftritte", brachte DHB-Präsident Andreas Michelmann am Sonntag seine Freude über das Ende der 16-jährigen Olympia-Durststrecke zum Ausdruck.
"Ich finde es ist viel wichtiger für die Frauen als für den Deutschen Handballbund, diese Erfahrung zu machen, dass sie nicht nur abstrakt zu den acht besten Teams der Welt gehören, sondern ganz konkret an Olympischen Spielen teilnehmen", äußerte sich Andreas Michelmann. "Wenn man die positionelle Stärke und emotionale Festigkeit vergleicht, haben sie seit der Heim-WM 2019 einen richtig tollen Schritt gemacht."
Für Michelmann zählt das Team von Markus Gaugisch damit zur "Weltklasse". Das bedeute, "zur Kenntnis zu nehmen, wo wir gestartet sind: Bei der Heim-WM 2017 haben wir Rang 13 belegt, bei den nächsten Turnieren wurden die Platzierungen mit zehn, acht, sieben und sechs immer besser. Jetzt sind wir bei Olympia dabei." Dazu habe auch die Vorbereitungswoche vor dem Turnier in Neu-Ulm "eingezahlt", ergänzte Kromer.
Ob es dann beim Olympischen Handballturnier für das Halbfinale reicht, kommt für Sportvorstand auf den Gegner im Viertelfinale an. "Da gibt es je Konstellationen, die es mehr oder weniger wahrscheinlich machen, das Halbfinale zu erreichen. Man kann im Viertelfinale auf Dänemark oder auf Japan treffen." Bei einem Sieg wäre eine Medaille greifbar. "Das sind die Träume der Spielerinnen und Spieler", so Kromer abschließend.
Felix Buß